Die Geburt des Geoengineerings. Großbauprojekte in der Frühphase des Anthropozäns (1850-1950)

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Culebra Cut, 1913: A. B. Nichols Panama Canal Collection, Notebook Vol. 48C; Courtesy of The Linda Hall Library of Science, Engineering & Technology

Visionen zur Erdgestaltung sind weit älter als deren Umsetzung. Doch erst seit den 1850er Jahren wurden im Rahmen von immer größeren Bauprojekten jahrmillionenalte natürliche Formationen grundlegend umgeformt. Hier schlägt die Geburtsstunde des Geoengineerings, das seinen Ausdruck in spektakulären Eisenbahntunneln, in Ozeane verbindenden Meereskanälen und gewaltigen Staudämmen findet. In dieser Zeit begann sich der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biogeochemischen Stoffkreisläufe der Erde zu entwickeln, und es kündigte sich eine neue geochronologische Epoche an, das Anthropozän. Doch es zeigte sich zugleich auch, dass der Beherrschbarkeit der Natur deutliche Grenzen gesetzt sind. Manches Infrastrukturprojekt endete tragisch, Menschen und Ökosysteme in den betroffenen Regionen kämpften über Generationen hinweg mit den Folgen dieser Großbauten.

Ausgangspunkt des Forschungsprojektes war ein neuer Ansatz zur Historisierung des Geoengineerings, der deutlich über den etablierten Fokus auf das Climate Engineering hinausgeht. Im Zentrum der Analyse stand die Geschichte der Planung, des Baus und der Erhaltung von Infrastrukturprojekten in Form von großen Eisenbahntunneln, Meereskanälen und Damm-Systemen auf beiden Seiten des Atlantiks, die als Brennglas für die Geburt des Geoengineerings und die Sichtbarmachung von historischen Strukturen der Frühphase des Anthropozäns fungierten. Das Projekt hat Impulse aus den Debatten zum Anthropozän aufgegriffen, das analytische und heuristische Potential des Konzeptes aufgezeigt und seinerseits einen Beitrag zur andauernden Debatte um ein neues, nach dem Menschen benanntes Erdzeitalter geliefert. Im ersten Kapitel wurden Faktoren herausgearbeitet, die entscheidend für die Formierung der menschlichen geomorphologischen Gestaltungsmacht gewesen sind. Das zweite Kapitel thematisierte die Grenzen der menschlichen Kontrolle über die Natur und legte nicht-intendierte Konsequenzen offen. Die Historisierung „demokratischer Infrastrukturplanung“, die im Zentrum des dritten Kapitels stand, hat die unmittelbaren und langfristigen sozialen Auswirkungen des Geoengineerings sichtbar gemacht. Dieser Abschnitt – wie auch die Arbeit insgesamt –  kann als ein historiographischer Beitrag zu der wichtigen gesamtgesellschaftlichen Debatte verstanden werden, die um die Frage kreist, wie sich anthropozäne Handlungsmacht in Zukunft integrativ gestalten lassen kann.

Dieses Projekt wurde ermöglicht durch eine großzügige Finanzierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) [Laufzeit: 2016-2019, Antragsteller: Prof. Dr. Helmuth Trischler].